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„Ich erkenne mich nicht wieder.“ 🫣

Das dachte ich neulich nach einem Meeting, in dem ich völlig überreagiert habe. Scharf im Ton. Unfair im Urteil.

Nicht mein Bestes-Ich.

Und doch: Es war ich – nur eben mein Stress-Ich. Getrieben, unter Druck, auf Autopilot.

Kennst du solche Momente, in denen du vor dir selbst erschrickst? Wo du genau spürst: So will ich nicht sein – aber gerade bin ich’s doch.

Mich erinnern diese Momente immer an eine Novelle von Robert L. Stevenson: Dr. Jekyll und Mr. Hyde.

Dr. Jekyll ist eigentlich ein Guter, doch er spürt, dass er eine dunkle Seite hat. Aus Neugierde gibt er seinem Alter Ego Raum und wird am Ende von ihm überrollt.

So wie wir, wenn unser Stress-Ich übernimmt – und das Bestes-Ich nur noch zusehen kann.

In diesem Blogartikel erzähle ich,

  • warum uns Stress zu einer anderen Version unserer selbst machen kann,
  • was im Gehirn dabei genau passiert,
  • und wie du bewusst zurück in dein Bestes-Ich findest – auch mitten im Sturm.

Mit dabei: ein klares Modell, echte Reflexionsfragen – und ein Weg, wie du auch unter Druck kraftvoll führen kannst.

Jekyll oder Hyde?

Kennst du die Geschichte von Dr. Jekyll und Mr. Hyde?

Ein großartiger Psychotriller von Robert L. Stevenson.

Dr. Jekyll ist Arzt und geschätztes Mitglied der Londoner Gesellschaft. Schon lange ist ihm bewusst, dass sich in seinem guten Ich auch eine düstere Seite versteckt. Von seiner Forscherneugierde getrieben, entwickelt er ein Gift, mit dem er seine dunkle von seiner hellen Seite abspalten kann.

Ein Glas von diesem Gifttrunk und schon wird er zum „Monster“ Mr. Hyde. Hyde ist das totale Gegenteil des freundlichen und tugendhaften Jekyll: hässlich, düster, bösartig, aggressiv, gewalttätig. Als Hyde lebt Jekyll die dunkle Seite seines Ichs aus.

Das Dumme dabei: Das Experiment läuft aus dem Ruder. Jekyll kann seine dunkle Seite nicht mehr kontrollieren. Er begeht Selbstmord, um zu verhindern, ewig Hyde zu bleiben.

Super spannende Geschichte! Aber warum erzähle ich das hier?

Jekyll und Hyde leben in jedem von uns

Die Geschichte ist deshalb so packend, weil sie ein tiefes psychologisches Phänomen beschreibt, das wir alle kennen – besonders in stressigen Phasen unseres (Führungs-)Alltags.

Ich mache regelmäßig 360-Grad-Feedbacks mit Führungskräften. Und sehe dabei immer wieder das gleiche Muster: In ein und derselben Person zeigen sich zwei vollkommen gegensätzliche Versionen – wie bei Dr. Jekyll und Mr. Hyde.

Da gibt es dieses Bestes-Ich – eine Beschreibung, die oft so klingt, als hätte man einen echten Leadership-Leitstern vor sich:

  • mitreißend, inspirierend, fröhlich,
  • zugewandt, vertrauensvoll, verbindlich,
  • neugierig, klug, kreativ,
  • klar und differenziert in Feedback,
  • scharfsinnig, prioritätenstark, strategisch,
  • selbstreflektiert und offen für Fehler.

In diesem Zustand gestalten wir aus einem inneren Freiraum heraus. Wir sind präsent, lösungsorientiert, offen. Die Realität fühlt sich freundlich an – wie ein Partner, mit dem wir etwas gestalten können. Genau das ist die Qualität, die wir in der Führung brauchen. Und die wir auch selbst so gern leben würden.

Und dann ist da noch... Mr. Hyde

So strahlend das Beste-Ich beschrieben wird – genauso deutlich zeigt sich oft auch das Gegenteil. In denselben Feedbacks, für dieselben Menschen. Als hätte jemand den Schalter umgelegt.

Da ist plötzlich ein anderes Ich zu sehen:

  • schroff, unfair, launenhaft,
  • distanziert, verletzend, zynisch,
  • beißend, ungeduldig, ungnädig,
  • abwesend, zerstreut, mikromanagend,
  • wenig kritikfähig, schnell im Schuld zuweisen.

Kein schönes Bild. Aber es sind echte Rückmeldungen. Worte, die andere Menschen genutzt haben, um ihre Führungskraft zu beschreiben – wenn sie im Stress ist.

Dieses Stress-Ich ist reaktiv, getrieben, eng. Es taucht auf, wenn innere Bedürfnisse unerfüllt sind. Wenn wir überfordert, enttäuscht oder verletzt sind. Dann wird aus einem klaren Gespräch ein innerer Kampf. Wir hören nicht mehr wirklich zu, sondern senden. Wir sind nicht mehr in Beziehung, sondern im Modus „Funktionieren“. Alles wird persönlich – und gleichzeitig seltsam unnahbar.

In diesen Momenten stecken wir wie in einem inneren Film. Einer, dessen Drehbuch wir nicht mehr kontrollieren. Und in dem die anderen plötzlich nur noch Nebenrollen spielen – und wir vor allem unsere Schattenseiten leben.

Willkommen, Mr. Hyde.

Bis du das Unbewusste bewusst machst, wird es dein Leben lenken – und du wirst es Schicksal nennen.
C.G. Jung

Stress – das geheime Gift

Wie in Stevensons Geschichte gibt es auch in uns eine Substanz, die uns von Jekyll zu Hyde werden lässt. Kein flackerndes grünes Serum – sondern ein altbekannter Wirkstoff:

⚡️ Stress⚡️

Egal ob akuter Zeitdruck, schwelende Konflikte oder chronische Überlastung: Stress legt mit erstaunlicher Präzision unsere Schattenseiten frei. Er verwandelt kluge Leader in getriebene Mikromanager. Inspirierende Visionäre in zynische Kritiker.

Ein Blick in unser Gehirn zeigt, warum das so ist – und was das mit unserer Selbstführung zu tun hat.

Das innere Trio: Reptil, Säuger, Mensch

Unser Gehirn besteht – stark vereinfacht – aus drei evolutionären Schichten, die alle mitspielen, wenn wir führen:

  • Der Hirnstamm: Unser ältestes Erbe – das Reptilienhirn. Es regelt unsere Überlebensfunktionen wie Atmung, Herzschlag und Blutdruck. Sein Motto: Lebe oder stirb.
  • Das limbische System: Das emotionale Zentrum – zuständig für Gefühle, Triebe, Affekte. Hier entstehen Bindung, Wut, Angst, Lust. Motto: Kämpfen, fliehen oder unterwerfen.
  • Der präfrontale Cortex: Unsere Schaltzentrale für alles „Menschliche“ – Selbstreflexion, Empathie, Sprache, Zukunftsplanung, soziale Intuition. Motto: Ich denke, also bin ich.

Solange wir entspannt sind, arbeiten alle drei Hirnbereiche harmonisch zusammen. Wir sind wach, kreativ, empathisch. Unser „langsames Denken“ – wie Daniel Kahneman es nennt – ist aktiv. Wir wägen ab, wir gestalten, wir führen.

Dann sind wir unser Bestes-Ich. Jekyll in Hochform.

Und unter Stress?

Wenn uns Stress trifft – ob durch äußere Anforderungen oder innere Trigger – schaltet das System um. Der präfrontale Cortex wird energetisch „heruntergefahren“. Unser rationales Gehirn geht offline. Dafür übernimmt der Überlebensmodus.

Der Körper macht sich kampfbereit: Atmung schneller, Pulshoch, Tunnelblick an. „Schnelles Denken“ übernimmt: impulsiv, binär, reaktiv. Die Welt wird eng und bedrohlich. Wir sehen weniger Optionen – und mehr Gegner.

Und genau dann zeigt sich: Mr. Hyde ist kein Monster von außen, sondern ein ganz natürlicher Teil unseres Selbst – geboren aus Stress, Überforderung und Verletzlichkeit.

Zurück zu Dr. Jekyll – aber wie?

Dass Mr. Hyde in uns auftaucht, ist nicht das Problem - es ist eine natürliche Stress-Reaktion, geboren aus einem tiefen, uralten Schutzbedürfnis. Entscheidend ist, wie lange er bleibt – und wie bewusst wir die Rückkehr zu unserem Bestes-Ich gestalten können.

Selbstmord, wie bei Stevenson, ist natürlich keine Option. Aber eine andere Form von Entscheidung ist möglich: Die Entscheidung, uns selbst besser führen zu lernen. Gerade in stressigen Zeiten.

Die gute Nachricht: Resilienz – also die Fähigkeit, auch unter Druck klar, kraftvoll und verbunden zu bleiben – ist keine angeborene Gabe. Sie ist erlernbar.

Der Weg dorthin? Drei kraftvolle Schritte:

Drei Schritte zu deinem Besten-Ich

🧠 1. Bemerken – Werde dein eigener Beobachter

Bevor du etwas verändern kannst, musst du es erkennen.

  • Wie werde ich, wenn mein Stress-Ich übernimmt?
  • Wann genau passiert die Verwandlung?
  • Was triggert dein Stress-Ich?
  • Wie fühlt sich mein Körper in diesen Momenten an?
  • Was sind die ersten negativen Gedanken, die sich melden?

Hol dir Feedback von Menschen, denen du vertraust. Bitte sie, dich auf liebevolle Weise darauf aufmerksam zu machen, wenn sie bemerken: Jetzt wird’s eng bei dir. Das ist kein Zeichen von Schwäche – sondern ein Zeichen echter Führungsreife.

🛑 2. Bremsen – Raus aus dem Affekt, rein in die Präsenz

Wenn du den Wandel bemerkst: Stoppen. Bewusst werden. Kurzanhalten.

Entscheiden: Ich bleibe jetzt stehen und renne nicht weiter in mein Stress-Ich hinein.

Zwischen Reiz und Reaktion liegt ein Raum. In diesem Raum liegt unsere Macht zur Wahl unserer Reaktion. In unserer Reaktion liegen unsere Entwicklung und unsere Freiheit.
Viktor Frankl

Dein Ziel ist es, vom schnellen ins langsame Denken zurück zu wechseln. Vom Tunnelblick in den Weitwinkel. Dafür brauchst du Energie – und einfache Tools, die du im Alltag einsetzen kannst:

  • drei tiefe, bewusste Atemzüge,
  • eine kurze Bewegungseinheit (ja, auch im Büro!),
  • Eine Minute lang die Anspannung aus dem Körper schütteln.
  • 60 Sekunden ans Fenster gehen und bewusst in die Ferne schauen,
  • ein Gespräch mit einem Menschen, der dich wiederauflädt.

Und langfristig: Achte auf dein Energiemanagement. Finde deine Kraftquellen – und kenne deine Energie-Lecks. Nur wer aufgeladen ist, kann auch andere mit Energie versorgen.

🔁 3. Besser machen – Entfalte dein inneres Stress-Navi

Frag dich: Warum genau stresst mich das hier gerade?

Muss wirklich alles perfekt sein? Muss es jetzt sein? Muss ich es allein lösen?

Manchmal hilft es, die inneren Stimmen bewusst zu konfrontieren. Und ihnen freundlich zu antworten: „Danke für deinen Einsatz– aber ich hab das im Griff.“

Du kannst dein Verhältnis zu Stress neu definieren. Du kannst lernen, ihn nicht als Gegner zu sehen, sondern als Signalgeber. Und du kannst dich Schritt für Schritt darin üben, mit mehr Leichtigkeit und Selbstmitgefühl durch Druckphasen zu gehen.

Und jetzt – du.

Vielleicht ist es gerade ein guter Moment, kurz innezuhalten. Dir selbst zuzuhören. Und dich zu fragen:

  • Wann warst du zuletzt voll und ganz in deinem Besten-Ich? Was hat dich dahin gebracht? Wie hat es sich angefühlt – in dir und im Raum?
  • Und wann hat sich dein Stress-Ich gezeigt? Was hat es ausgelöst? Wie hat dein Umfeld darauf reagiert?
  • Welche Signale sendet dein Körper, wenn du beginnst zu kippen? Und was hilft dir, in diesen Momenten zurückzufinden – zu Klarheit, Verbindung, Präsenz?
  • Welche kleinen Schritte könntest du heute schon gehen, um resilienter, bewusster, menschlicher zu führen?

Die Reise zum Bestes-Ich ist kein Ziel auf der Landkarte. Sie ist ein innerer Weg – oft unsichtbar, manchmal unbequem, aber immer lohnend. Und du gehst ihn nicht allein.

Wenn du magst, such dir einen Sparringspartner, eine Mentorin, einen Buddy auf Augenhöhe. Denn echte Entwicklung braucht nicht nur Willen, sondern auch Spiegel.

Bleib neugierig. Bleib verbunden. Und sei mutig genug, dein eigenes Licht nicht nur zu sehen – sondern es auch leuchten zu lassen.

 

Hier gibts mehr dazu…

Deine inneren Antreiber:  Stärken und Schatten. Unsere inneren Antreiber: Gleichzeitig Überlebensregeln, Superpower und Schatten. Lerne, wie sie dein Führungs- und Stressverhalten bestimmen.  

3 Schritte aus der Stressfalle. Verstehe den Stresszyklus deines Körpers und finde neue Möglichkeiten, deinen Stress gezielt zu reduzieren.

Raus aus dem Alltags-Drama! Wir hassen sie alle: Köchelnde Konflikte. Kleine Dramen mit den immer gleichen Rollen. Lerne sie zu verstehen und brich selbstbewusst aus.