Summertime, and the livin‘ is easy...
Sonntagmorgen. Ich sitze mit einer Tasse Tee in der Morgensonne. Höre die Vögel zwitschern - ein unglaubliches Konzert, immer wieder brummt eine Hummel an mir vorbei. Über die Straße das leise Ploppen der Tennisbälle.
Ich bin einfach da. Im Moment.
Und beschließe diesen Newsletter eines der wichtigsten - und gleichzeitig schwierigsten Themen unserer Transformation vom getriebenen Macher zum reifen Leader zu widmen.
Die Leichtigkeit
Kaum ein Thema triggert hart arbeitende Unternehmer und Leader mehr.
In diesem Blogartikel liest du, warum das nicht nur möglich, sondern sogar absolut nötig ist.
Als Kind wollte ich Falknerin werden. Ich war fasziniert von Greifvögeln – ihrer Kraft, ihrer Ruhe in der Luft. Heute ist der Adler das Logo meiner Firma Volate (lateinisch: „Fliegt!“). Und mein innerer Kompass im Coaching.
Denn der Adler ist das perfekte Bild für herausragende Führung.
Wenn ein Adler startet, braucht er immense Kraft. Die ersten 50 bis 70 Meter kämpft er sich mit kräftigen Flügelschlägen in die Höhe.
Aber: Der Adler ist ein schwerer Vogel. Würde er einfach so weitermachen, wäre seine Energie schnell erschöpft.
Die wirklichen Höhen – bis zu 300 Meter und mehr – erreicht er nur, weil er irgendwann aufhört zuschlagen und beginnt, sich von der Thermik tragen zu lassen.
Er spürt feine Veränderungen in der Luft. Er sucht den Aufwind. Er lässt sich tragen – höher und höher. Nicht trotz, sondern durch die Leichtigkeit.
Der Adler ist kein Muskelprotz, der sich die Höhe erkämpft. Wahre Flughöhe erreicht er erst, wenn er die Leichtigkeit zulässt.
Und genau hier liegt die Parallele zu starker Führung: Die meisten Unternehmer:innen und Führungskräfte versuchen viel zu lange, ihre Organisation mit purer Anstrengung nach oben zu bringen.
Ihr unausgesprochener Leitsatz:
„Ich bin nur gut, wenn ich der härteste Arbeiter im Raum bin.“
Doch wer dauerhaft nur mit Kraft führt, verliert den Blick fürs Ganze – und am Ende sich selbst. Er trifft auf eine unsichtbare Grenze: Das Upper Limit – den Punkt, an dem reine Anstrengung nicht mehr weiterhilft.
Wahre Führung beginnt dort, wo du Leichtigkeit zulässt.
Das Foto zeigt mich auf einem Adlerspaziergang mit einer Falknerin – ein zutiefst bewegender Moment. Die Kraft dieses Tieres zu spüren, hieß auch: die Kraft der Leichtigkeit in mir selbst zu spüren.
Ambitionierte Menschen wie wir tragen eine besondere Stärke in sich. Doch diese Stärke kommt selten aus Leichtigkeit – sondern aus dem Kampf. Viele von uns haben schon früh Widrigkeiten, Kämpfe und Konflikte überstanden.
Unsere prägende Lebenserfahrung: „Ich muss kämpfen, um es zu schaffen.“
Und das tun wir – mit unglaublichem Einsatz. Wir beweisen uns. Wir haben eine enorme Energie, extremen Biss und sind hochkompetente Problemlöser. Das ist die Sonnenseite unserer Erfahrungen.
Doch es gibt auch eine Schattenseite. Wer im Kampf groß wird, gewöhnt sich an den Kampf. Wir gewöhnen uns daran, das alles schwer und anstrengend ist. Das alles auf uns lastet. Das wir uns immer hart antreiben müssen.
So lange, bis es sich richtig und sicher anfühlt – gerade, wenn es anstrengend ist.
Und falsch, wenn es leicht wird.
Willkommen in der unkomfortablen Komfortzone. Vertraut, aber mit hohen Kosten verbunden. Denn sie kostet Klarheit, Kraft und Verbundenheit. Genährt wird sie von inneren Glaubenssätzen wie:
Das perfide daran: Diese Überzeugungen machen uns stark – und halten uns gleichzeitig klein. Denn sie lassen uns in einer Schleife aus Stress, Druck und Selbstverzicht feststecken.
Wir inszenieren immer wieder denselben Kampf –
weil wir glauben, nur so erfolgreich zu sein.
Und so beschreiben meine Coachees dieses Gefühl:
Diese unbewusste Dynamik ist der unsichtbare Gegner vieler starker Leader: Ein inneres System, das nie gelernt hat, Leichtigkeit zu genießen.
Das Problem dabei: In der Anfangsphase unserer Laufbahn ist Anstrengung nicht nur normal – sie ist genau richtig. Mit großem Einsatz und harter Arbeit beweisen wir unseren Wert.
Bei Gründern und Gründerinnen zeigt sich das besonders deutlich: Du bist das Unternehmen. Herz, Hirn, Motor, Steuerungseinheit. Nichts bewegt sich ohne dich. Dein Team? Eher deine zusätzlichen Arme und Beine – wie bei der indischen Göttin Durga. Was du nicht selbst anstößt, passiert nicht.
In dieser Phase ist das völlig normal und ok.
In klassischen Organisationen läuft es ähnlich: Führungskräfte, die Karriere machen, starten nicht mit Beziehung oder Strategie. Sondern mit abliefern. Karriere machen die, die mehr stemmen. Mehr wissen. Mehr können. Mehr Verantwortung übernehmen, als sie eigentlich müssten.
All das funktioniert – eine Zeit lang. Wir sind leistungsstark, energiegeladen, schnell. Wir werden gebraucht. Wir sind erfolgreich. Und jeder Erfolg bestätigt unser Glaubenssystem: Nur große Anstrengung bringt Wirkung.
Und so entsteht Schritt für Schritt eine Falle.
Denn: Unsere Anstrengung wird immer mehr zum Anker unserer Identität. Zum Beweis der eigenen Bedeutung: „Ich bin nur wertvoll, wenn ich mich verausgabe.“
Dummerweise hat diese Strategie Grenzen...
Das Upper Limit ist die unsichtbare Schwelle in uns – die innere Grenze dessen, was wir uns unbewusst an Erfolg, Wirksamkeit und Leichtigkeit zugestehen.
Solange wir im Machen sind, funktioniert vieles. Aber irgendwann wird genau das, was uns stark gemacht hat, dysfunktional.
Ich kenne diese Dynamik aus eigener Erfahrung. In meiner Beratungszeit bin ich mit Energie, Willenskraft und Disziplin Schritt für Schritt vorangekommen. Jede Herausforderung gemeistert. Jedes Ziel erreicht. Always on, immer leistungsbereit.
Aber je weiter ich kam, desto zäher wurde es. Die Erfolge wuchsen – aber die Leichtigkeit schrumpfte.
Und dann sagte einer der Partner einen Satz, der mich bis heute begleitet:
„Du wärst noch viel besser, wenn du es leichter angehen würdest.“
Damals konnte ich mit diesem Satz nichts anfangen. Heute weiß ich: Wenn es um die Führung größerer Organisationen geht, gelten andere Spielregeln.
Was du in Phase 1 deiner Karriere oder eures Unternehmensaufbaus brauchst, ist nicht das, was dich in Phase 2 trägt.
Heute ist mein Kalender leerer – aber meine Wirkung tiefer. Klingt erstmal paradox, ist aber essenziell:
Top-Level-Führung braucht Leichtigkeit. Und nirgendwo ist das so spürbar wie im Job des CEO. Denn: Je höher du kommst, desto weniger geht es um das, was du tust – und desto mehr um das, was du ermöglichst.
Ein CEO ist kein Macher, sondern ein Ermöglicher. Kein Motor – sondern Thermik-Gleiter. Und dafür brauchst du innere Ruhe, klare Prioritäten – und die Fähigkeit, nicht alles selbst zu tun.
Lass uns kurz durch die sieben Aufgaben eines CEOs gehen – und warum Leichtigkeit in jeder einzelnen davon entscheidend ist:
All das gelingt nicht im Autopilot-Modus. Es braucht Leichtigkeit – weil nur sie dir den Raum gibt, wirklich zu führen.
In meinen Coachings sehe ich es immer wieder: Leader, die sich nach Raum für Strategie sehnen – aber in ihren 12- bis 14-Stunden-Tagen kaum die Chance haben, klar zu denken.
Und wenn sie diesen Raum dann endlich schaffen, passiert oft etwas Unerwartetes: Sie fühlen sich unwohl. Nicht, weil zu viel los ist – sondern weil es plötzlich so ruhig wird. Denn in einer Welt, in der ständige Aktivität mit Wirksamkeit verwechselt wird, fühlt sich Klarheit verdächtig an. Fast so, als hätte man zu wenig geleistet.
Ein Klient von mir - nennen wir ihn Alex - hat das gerade erst erlebt.
In den letzten Monaten hatte er nahezu Unmenschliches geleistet. Führungsteam neu aufgestellt, Prozesse geordnet, Investoren überzeugt – ein Kraftakt. Irgendwann war alles erledigt. Die Ziele waren erreicht. Sehr erfolgreich sogar. Doch zurückblieb: Leere.
Er nahm sich eine Woche Auszeit. Kein Empfang. Kein Team. Kein Zoom. Nur er, ein Notizbuch - und die große Frage: Was ist unser Weg? Am Ende dieser Woche kam er mit sieben Sätzen zurück. Klar. Konzentriert. Essenziell.
Und trotzdem sagte er: „Dorothea, ich habe nicht wirklich was geschafft!“ 🫣
Sein System suchte nach Output, nach Erschöpfung, nach Anstrengung. Aber was er geleistet hatte, war keine Hektik – sondern Klarheit.
Zeit für ein klares Reframing. Denn eigentlich war das Gegenteil wahr:
„Sieben Sätze, die alles tragen– das ist keine Schwäche. Das ist Führungsarbeit pur.“
Strategiearbeit fühlt sich nicht an wie „Busy sein“. Sie fühlt sich oft leer an – weil sie Raum braucht. Weil sie nicht in der Hektik, sondern in der Tiefe entsteht.
Strategie entsteht nicht aus Aktivität. Sondern aus Stille.
Nicht aus Tempo. Sondern aus Denken.
Je weiter du in der Führung aufsteigst, desto weniger geht es um operative Entscheidungen –
und desto mehr um Menschen. Es geht um Vertrauen. Alignment. Resonanz.
Und all das entsteht nicht mal eben zwischen zwei Calls. Sondern im Zuhören. In der Präsenz. In der Beziehung.
Viele glauben, Beziehungsarbeit sei das weiche Zeug, das „auch noch gemacht werden muss“.
In Wahrheit ist sie das unsichtbare Fundament deiner Wirkung – im Unternehmen, gegenüber Investoren, dem Board und dem Markt.
Hör mal in Podcasts mitUnternehmern wie Hans Thomann, Reinhold Würth oder Dirk Rossmann hinein. Achte darauf, wie sie über ihre Mitarbeiter sprechen. Wie viel Zeit sie sich für denKontakt nehmen. Wie bewusst sie Beziehungen gestalten – zu Kunden, Lieferanten, selbst zur Konkurrenz.
Diese Art von Beziehung ist nicht „effizient“. Sie ist nicht skalierbar.
Aber sie ist der Stoff, aus dem Vertrauen entsteht. Denn Beziehungsarbeit braucht Raum. Und Leichtigkeit. Nicht Effizienz.
Sie ist nicht messbar –aber spürbar. Und macht oft den Unterschied zwischen oberflächlicher Zustimmung und echtem Commitment aus.
Wenn du willst, dass deine Stakeholder mitziehen, musst du dich zeigen. Nicht nur im Kalender –sondern im Kontakt. Doch damit das gelingt, brauchst du ein System, das dir diese Räume schafft – und dich nicht in der Hektik verschluckt.
Schlechte Organisationen sind wie ein Hamsterrad: Ständig in Bewegung, ständig getrieben – aber ohne Richtung, ohne echte Fortschritte. Hochaktiv. Und hochgradig erschöpfend.
Gute Organisationen dagegen funktionieren wie ein Flywheel. Am Anfang braucht es Kraft, Energie, Ausdauer. Doch je öfter du anschiebst, desto leichter läuft es – bis es sich irgendwann fast von selbst trägt.
Der Unterschied? Gute Organisationen sind auf Leichtigkeit optimiert:
Doch genau hier sabotieren viele Führungskräfte ihre eigene Wirkung. Sie tragen unbewusst ihren alten Glaubenssatz mit sich herum:
„Nur was hart ist, zählt.“
Und mit diesem Glaubenssatz streuen sie immer wieder Sand ins Getriebe. Kaum wird etwas leicht, wird es neu aufgesetzt. Kaum fließt es – wird es künstlich verkompliziert. Nicht, weil es nötig ist. Sondern weil sich Erfolg ohne Anstrengung nicht richtig anfühlt.
Eine gute Organisation macht das Richtige leicht.
Eine schlechte Organisation macht selbst das Richtige schwer.
Flywheel oder Hamsterrad– das ist kein Orga-Unterschied. Es ist ein Mindset-Unterschied.
Und dieser Unterschied beginnt nicht im Organigramm – sondern in dir: In deiner inneren Haltung zu Leichtigkeit und Erfolg.
Und genau hier liegt der blinde Fleck vieler Top-Leader: Sie halten sich für besonders leistungsbereit – sind aber gefangen in einer alten Idee von Leistung.
Und damit sind wir zurück bei unserem Ausgangspunkt: Viele Führungskräfte haben ihr Selbstbild jahrelang an einem zentralen Satz ausgerichtet:
„Ich bin die oder der, der am meisten gibt.“
Sie sind die Ersten im Büro. Die Letzten im Call. Die, die alles schultern, alles lösen, alles halten. Und genau das wurde lange bewundert – sogar romantisiert.
„The hardest worker in the room.“ EinTitel. Ein Orden. Ein Ego-Stabilisator.
Aber irgendwann dreht sich dieses Skript um.
Eine CEO sagte mir einmal nach einem langen Sprint:
„Ich habe mehr Pause als früher – aber die Erschöpfung kommt von woanders.“
Sie hatte noch nichtverstanden, dass die Anstrengung nicht mehr im Tun lag – sondern im inneren Widerstand gegen die Leichtigkeit.
Doch: Führung ist kein Kraftsport. Sie ist Raumhalten. Priorisieren. Präsenz. Strukturieren. Und: Loslassen.
Der härteste Arbeiter imRaum ist oft nicht der wirksamste. Sondern der, der am wenigsten delegiert, vertraut, priorisiert. Und sich selbst dabei still erschöpft.
Ich habe lange geglaubt, Leichtigkeit sei gefährlich. Heute weiß ich: Sie ist meine stärkste Kraft.
Was wäre möglich, wenn du dir erlaubst, nicht mehr zu kämpfen? Wenn Leichtigkeit kein Zufall ist – sondern dein neuer Maßstab?
Viele Leader betrachten Leichtigkeit als die Belohnung, die irgendwann kommt. Nach der Arbeit. Nach dem Kampf. Nach dem Erfolg.
Sie denken: „Wenn ich erst mal genug geleistet habe, dann… kommt der Freiraum. Die Klarheit. Die Wirkung.“
Doch das Gegenteil ist wahr. Leichtigkeit ist kein Bonus. Leichtigkeit ist das Ziel.
Und sie beginnt nicht irgendwann. Sondern in dem Moment, in dem du entscheidest: „Ich darf (und will) anders führen.“
„Echte Leichtigkeit muss hart erarbeitet werden.“
Vom Kampf in die Leichtigkeit – wie geht das?
Echte, tragende Leichtigkeit entsteht nicht durch weniger Arbeit. Sondern durch eine bewusste Neujustierung deines inneren Betriebssystems.
Drei Schritte helfen dabei:
1. Die Ursache erkennen
Welche frühen Erfahrungen oder Glaubenssätze binden dich an die Anstrengung? Woher kommt dein Reflex, dass Erfolg schwer sein muss?
2. Die Realität prüfen
Wann warst du in deiner stärksten Wirksamkeit? Oft war es nicht im Kampf – sondern in der Klarheit, im Vertrauen, im Fluss.
3. Neu verkörpern
Starte bewusste Mini-Experimente aus einer Haltung der Leichtigkeit. Handle, führe, entscheide – anders. Und dann: Reflektiere. Wiederhole. Integriere.
Leichtigkeit ist kein Luxus. Sondern die Grundlage für Führung, die trägt.
Das Upper Limit: Deine heimliche Erfolgsbremse. Erfolg – und plötzlich läuft’s nicht mehr? Entdecke, wie du dein Upper Limit erkennst, durchbrichst und das Leben führst, das wirklich zu dir passt.
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